8. November 2013
Interview mit Gemeinderätin Ursula Stäheli, Ressortvorsteherin Gesellschaft
Frau Stäheli, was hat den Gemeinderat dazu bewogen, die Anlaufstelle "Hinschauen und Handeln" zu schaffen?

Es gibt immer wieder Menschen, die zu vereinsamen drohen, ein Alkoholproblem entwickeln oder in der Bewältigung des Alltags überfordert sind. Das können jüngere oder ältere Menschen sein. Leider gibt es auch Kinder, die vernachlässigt werden, unter dem Alkoholkonsum ihrer Eltern leiden oder Opfer von Gewalt werden. Diese Menschen wollen wir frühzeitig unterstützen. Dafür braucht es zuerst unsere Aufmerksamkeit, damit wir erkennen, wer, wo Probleme hat. Wir wollen aber keine Polizeifunktion übernehmen, sondern da Hilfe anbieten, wo sie nötig ist. Wir möchten zudem rechtzeitig erfahren, wenn Orte zu Problemplätzen werden und von der allgemeinen Bevölkerung gemieden werden, weil man Angst hat, sich dort aufzuhalten.

Diese Überlegungen haben den Gemeinderat dazu bewogen, die Anlaufstelle "Hinschauen und Handeln" zu schaffen. Die Baumer Bevölkerung soll die Möglichkeit erhalten, sich in der Gemeinde schnell und unkompliziert Beratung und Unterstützung zu holen.


Manche Leute ärgern sich schnell über das Verhalten anderer. Müssen wir nicht toleranter werden?

Selbstverständlich sollen alle und insbesondere Jugendliche ihre Plätze haben, wo sie sich aufhalten, aber sich auch austoben und sich hin und wieder auch mal lauter zu Wort melden können. Wo verschiedene Ansprüche im öffentlichen Raum aufeinander prallen, kann es zu Konflikten kommen. Es ist deshalb wichtig, einander gegenseitig mit Toleranz und Respekt zu begegnen. Wenn aber problematische Entwicklungen bei einem Jugendlichen wahrgenommen werden und nicht darauf reagiert wird, ist das nicht tolerant, sondern gleichgültig. Es geht darum, problematische Entwicklungen zu erkennen, um Schlimmeres zu verhindern.

Jemand ruft die Anlaufstelle "Hinschauen und Handeln" an. Was passiert mit den Informationen?

Die Anlaufstelle Hinschauen und Handeln wird von der Abteilungsleitung Sicherheit+Soziales betreut. Die Anrufende oder der Anrufende kann ihre/seine Sorgen, Bedenken und Beobachtungen mitteilen. Die Anlaufstelle unterstützt dabei, eine Lösung zu finden und vermittelt sofern notwendig an weitere Fachstellen.

Wenn sich neue Tendenzen abzeichnen oder Gruppen von Menschen negativ auffallen, wird dies an den Runden Tisch bei "Hinschauen und Handeln" gebracht und zusammen mit Vertretern des Gemeinderates, den Schulen, dem Jugenddienst der Polizei und der Sozialbehörde diskutiert und gemeinsam nach Lösungen gesucht.

Mit der Anlaufstelle "Hinschauen und Handeln" wollen wir da hinschauen, wo viele aus Angst, Nichtwissen oder falschem Respekt wegschauen.


Wann soll man besser die Polizei anrufen anstatt selbst einzugreifen?

Sobald eine Situation zu eskalieren droht, viel Alkohol oder Gewalt im Spiel ist und man befürchten muss, selber Opfer zu werden, wenn man sich einmischt.


Was erhoffen Sie sich von der Anlaufstelle "Hinschauen und Handeln"?

Besteht das Risiko, dass jemand grössere Probleme entwickelt, wollen wir frühzeitig reagieren können und Leid verhindern. Ich habe den Fall Wila vor Augen. Diese Geschichte hat mich sehr betroffen und nachdenklich gemacht. Ich habe mich immer wieder gefragt, wie dieser Fall zu verhindern gewesen wäre. Bestimmt haben auch in Wila verschiedene Personen im Verlauf der letzten Jahre Ungereimtheiten innerhalb dieser Familie wahrgenommen, hatten aufgrund von kleineren Vorfällen und Beobachtungen Vermutungen angestellt oder ein "ungutes Gefühl im Bauch" verspürt. Wahrscheinlich aber fehlten klare, eindeutige Hinweise, um eine Gefährdungsmeldung zu machen.

Es ist meist so: Schwerwiegende Probleme kommen nicht von heute auf morgen, sondern auf leisen Sohlen und in kleinen Schritten. Ständig übermüdete Kinder, Jugendliche, welche immer wieder Regeln übertreten oder ältere Personen, die das Haus nicht mehr verlassen und auch keinen Besuch mehr erhalten, können ein Hinweis sein, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht möchte man solche Vermutungen oder unguten Gefühle aber nicht bei den Vormundschaftsbehörden (bzw. KESB) deponieren, sondern die Eindrücke zuerst mit einer Vertrauensperson besprechen. Mit der Anlaufstelle "Hinschauen und Handeln" haben wir einen solchen Ort geschaffen. Ich erhoffe mir davon, dass die Menschen in Bauma aufmerksamer werden und ihre Beobachtungen, auch wenn sie nicht eindeutig auf Missstände hinweisen, melden.


Wer soll sich bei der Anlaufstelle melden?

Jedermann kann melden und sich auch beraten lassen, wie er oder sie reagieren soll. Auch Trainer in Sportvereinen oder Betreuende in Jugendvereinen sollen sich melden, wenn ihnen plötzliche Verhaltens- und Wesensveränderungen auffallen und sie nicht wissen wie sie die Person darauf ansprechen können.

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